Senat früher
Der Weg im Rathaus zum Senat führt von der Rathausdiele vorbei an zwei Löwen, die sich rechts vor dem Aufgang zum Senatsgehege postiert haben und das Staatswappen fest in den Vorderpfoten halten. Die Löwen sind das Sinnbild herrschaftlicher Macht.
Die Eingangspforte zum Senat wird umrankt von verschlungenem Eichenlaub. Hinter der Eingangspforte führt das hochherrschaftliche Senatstreppenhaus zum sogenannten Senatsgehege: ein durch reich verzierte Bronzegitter abgesperrter Bezirk, der den Senat vor unbefugten Eindringlingen schützen soll.
Seit 1216 gibt es in Hamburg einen Senat, der bis 1860 den wohlklingenden Namen „hochedler und hochweiser Rath“ führte. Die 50 bis 60 Rathsmänner wählten sich gegenseitig auf Lebenszeit und kamen bis 1712 ausnahmslos aus der Kaufmannsschicht. Erst ab dieser Zeit wurden auch Juristen in den Rath aufgenommen. Die Besetzung des Senats aus Hamburgs alteingesessene Patrizierfamilien, die wirtschaftliche und politische Macht ausübten, auch „Geschlechter“ genannt, war seit Jahrhunderten üblich. In Hamburg gehörten zu ihnen die Familien Amsinck, Sieveking, Hudtwalcker – um nur einige zu nennen –, die in erster Linie dem Kaufmannsstand angehörten. Dieser sorgte nicht nur für ihren materiellen Wohlstand, er prägte auch die geistige und politische Einstellung dieser Familien. Sie dachten politisch ähnlich.
Der Rath, der aus Männern der „führenden“ Familien Hamburgs bestand, hatte im Mittelalter das absolute Sagen. Das passte den Männern der Erbgesessenen Bürgerschaft (das waren die Männer mit Grundbesitz in der Hansestadt) jedoch überhaupt nicht, und so kam es immer wieder zu erheblichen Streitereien. 1410 setzte die Bürgerschaft einen Rezess (Vorläufer einer Verfassung) durch, der dem Senat verbot, ohne Zustimmung der Bürgerschaft Bürger zu verhaften, Kriege zu erklären und Steuern zu erheben. 1529 folgte ein weiterer Rezess, der dem Rath auferlegte, nur noch mit Zustimmung der Bürgerschaft Gesetze zu erlassen.
Im 17. Jahrhundert wurden diese Streitigkeiten brutal ausgefochten. Erst nach blutigen Unruhen konnten die Bürger mit dem Hauptrezess von 1712 durchsetzen, dass Rath und erbgesessene Bürgerschaft gemeinsam zum Träger der Staatsgewalt wurden.
Die Deputationen
Die Deputationen waren bis zum November 2020 eine historisch tradierte Besonderheit Hamburgs. Ihren Ursprung hatten sie im Spätmittelalter und damit in vordemokratischer Zeit.
„Ihre Entstehung ist zurückzuführen auf Bestrebungen, dem selbstherrlichen Regiment des Rates, des Vorläufers des Senats, Grenzen zu setzen“ (David, 2004, S. 860).
Die Idee war, nie einen Ratsherrn allein zuständig sein zu lassen. Dazu war man zu vorsichtig: jeder Senatorin und jedem Senator war daher zuletzt noch ein Gremium von 15, von der Bürgerschaft nach Parteienproporz gewählten, ehrenamtlich tätigen Bürgern und Bürgerinnen beigegeben, die so genannten Deputationen.
„Das Volk ist zur Mitwirkung an der Verwaltung berufen. Die Mitwirkung geschieht insbesondere durch die ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Verwaltungsbehörden“ (Art. 56 HV, Fassung von August 2020).
Mit Gesetz vom 03.11.2020 ist Art. 56 HV geändert worden:
„Die Verwaltung ist an Gesetz und Recht gebunden. Sie ist dem Wohl der Allgemeinheit und den Grundsätzen der Bürgernähe und Transparenz verpflichtet. Sie macht die bei ihr vorhandenen Informationen zugänglich und veröffentlicht gesetzlich bestimmte Informationen, soweit dem nicht öffentliche Interessen, Rechte Dritter oder gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Das Nähere regelt ein Gesetz.“
Durch die Aufhebung der §§ 7, 9 bis 15 sowie § 16 Sätze 3 und 4 des Gesetzes über Verwaltungsbehörden wurden die Deputationen abgeschafft. Dies wurde aufgrund der Neufassung des Artikels 56 HV ermöglicht und schließlich mit der nötigen Dreiviertel-Mehrheit in der Bürgerschaft beschlossen.
Die Opposition war aus diversen Gründen anderer Ansicht. Die Kritik an dieser vorkonstitutionellen Institution überwog jedoch. Sie bezog sich insbesondere darauf, dass die Deputationen nicht mehr zeitgemäß seien, vor allem, da die Deputierten nicht direkt vom Volk gewählt würden, aber dennoch Entscheidungsbefugnis hätten, die eigentlich gewählten Abgeordneten zustünden. Außerdem wurde argumentiert, dass bestimmte Abläufe – wie etwa die Einstellung von Personal ab einer bestimmten Besoldungs- bzw. Entgeltgruppe – unnötig verzögert würden. Und manche vertraulichen Inhalte gerieten an die Öffentlichkeit; denn die Deputationen trügen dazu bei, dass auch die Oppositionsfraktionen über die von ihnen benannten Deputierten in Absprachen des Senats mit eingebunden würden.
Senat heute
Bis 1946, also jahrhundertelang, war der Senat eine reine Männerriege. Bis auch Frauen Mitglieder des Se- nats werden durften, bedurfte es eines langen Überzeugungskampfes der Frauenbewegung.
1946 konnte die erste Senatorin vereidigt werden: Paula Karpinski (SPD). In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte dann die Abgeordnete der FDP, die Oberschulrätin Emmy Beckmann, versucht, den Gleichberechtigungsgedanken im Senatsgesetz zu verankern: Sie stellte im Plenum den damals „ungewöhnlichen Antrag“, in das Senatsgesetz den Passus: „Dem Senat müssen Frauen angehören“ aufzunehmen. Im Verfassungsausschuss hatten damals bereits alle gegen diesen Antrag gestimmt. Ein Mitglied meinte sogar, eine solche Bestimmung verstoße gegen das Grundgesetz, weil den Männern damit die Gleichberechtigung entzogen werde. Aber auch das Plenum wollte sich nicht mit dem Gleichberechtigungsgedanken anfreunden und lehnte Emmy Beckmanns Antrag unter großer Heiterkeit ab.
Erstmals 1997, in der Amtsperiode des Ersten Bürgermeisters Ortwin Runde (SPD) (1997–2001), gelang es, dass gleich viele Senatorinnen wie Senatoren den Senat bildeten. Damit wurde dem ein Jahr zuvor in die Hamburgische Verfassung aufgenommenen Art. 3 Abs. 2 HV Rechnung getragen. Hier heißt es: Frauen und Männer sollen „in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluss- und Beratungsorganen gleichberechtigt vertreten“ sein.
Doch im Laufe der nächsten Jahrzehnte bis heute wurde die paritätische Besetzung des Senats nach Geschlecht nicht kontinuierlich eingehalten. In der WP 22 ist der Senat mit vier Senatorinnen und sieben Senatoren besetzt.